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Geschichte

Ortsgeschichte Schotten / Michelbach im Vogelsberg

 

Zu Beginn ein allgemeiner Überblick über die Besiedelung des westlichen Vogelsbergs im Allgemeinen:

Das frühmittelalterliche Westeuropa war äußerst dünn besiedelt.

So auch der Vogelsberg.

Nur ein geringer Teil der Gesamtfläche wurde landwirtschaftlich genutzt, und auch dort fehlten oft die Menschen, um bereits kultiviertes Land weiter zu
bewirtschaften.

Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts aber setzte ein bemerkenswertes Bevölkerungswachstum ein.

Die intensivere Bodennutzung und damit die Steigerung der Ernteerträge im Altsiedelland reichte nicht aus, um die stets wachsende Zahl von Menschen
zu ernähren. Dies galt auch für den

Vogelsberger Raum, insbesondere für die Gegend um Schotten.

Der Platz innerhalb der Schottener Stadtmauern wurde zu eng.

Es musste Rodungsland der ausgedehnten Buchenwälder der Region „ Buchonia“ wirtschaftlich nutzbar gemacht werden, was sich als sehr viel schwieriger
herausstellen sollte, als in der nahen Nachbarregion Wetterau. Deren flächendeckende Besiedelung aufgrund der guten Böden war viel weiter vorangeschritten, als die steinreichen Gebirgslagen im
Vogelsberg.

So blieben den Menschen im Vogelsberg zunächst nur die klimatisch begünstigten Südwesthänge der Bergregion zur Besiedelung.

Für die Neugründung von Dörfern setzen die Landesherren meist „Lokatoren“ ein. Das waren Männer, die mit einer ganzen Gruppe von Siedlern den Standort eines
Dorfes

festlegten, die zukünftigen Hofstätten und Felder zuteilten und vermaßen und die Anfangs- schwierigkeiten durch ein Startkapital zu überbrücken versuchten. Der „
Lokator“ selbst erhielt dann in dem Dorf einen größeren Hof zu besonders günstigen Bedingungen und wurde meist der „ Schulze“ des Dorfes, der beauftragte des Landesherren.

Es ging den Landesherren nicht, wie mancher denken könnte, um das Wohl ihrer Untertanen. Nein, es ging einig und allein um den Ausbau der Herrschaftsgebiete, zu der
der Arbeitseinsatz und die Steuern der Neusiedler beitragen sollten.

Unter den beschriebenen Bedingungen, die oft sehr hart für die Menschen waren, setzte auch die Besiedelung unserer Region ein.

 

Die Michelbacher Geschichte im Speziellen:

Der Ort schmiegt sich an den nach Südwesen geneigten Berghang, den „Lugrain“ ca. 460müNN, auf dessen Höhenrücken sich ursprünglich vier mächtige Linden empor
reckten.

Leider musste eine davon vor einigen Jahren wegen Fäulnis gefällt werden.

Auch an der Fachwerkkirche in Ortsmitte ( 425müNN ) ragen vier Basaltplatten empor, die ebenso wie die vier Linden, an jene vier Männer erinnern sollen, die das
Dorf einstmals gründeten.

Nach heutigen Erkenntnissen ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Gründer von Michelbach die vier riesigen Menhire ( keltisch = Hünensteine ) zur Erinnerung
an die Gründung

dort errichteten. Auch ist nicht überliefert, dass die Bauern dieser Zeit aus den genannten Gründen Bäume pflanzten. Viel eher ist davon auszugehen, dass Bäume und
Steine schon länger auf

ihrem angestammten Platz standen. Vorstellbar ist, dass diese Steine schon lange Zeit im Volke als „Grian-Steine“ bezeichnet wurden. Und weil niemand mehr etwas mit
diesem Begriff verband, wurden daraus die „Gründersteine“. Grian ist ein keltisches Wort und bedeutet so viel wie Sonne/Wärme/Helle. Es wird vermutet, dass hier oben am Süd- und Westhang des
Vogelsberges Kelten heilige Plätze unterhielten. Es ist oft vorgekommen, dass Kirchen an solche Plätzen errichtet, und diese Orte neu geweiht wurden. Auch die ursprünglich vier Linden auf dem
Lugrain deuten eher auf einen heiligen Platz zu ehren von „Lug“, dem Gott der Kelten über das Licht hin.

 

Über die Entstehung Michelbachs lassen sich auf den Tag genaue

Angaben machen.

Das hessische Staatsarchiv bewahrt noch heute die Gründungsurkunde

von Michelbach auf.

Die Urkunde vom 7. März 1495 besagt,

dass der Landgraf Wilhelm von Hessen vier Männern,

Haintzen Weimer, Chuntzen Strauben, Heinchen Reppen und Cuntzen Reppen samt ihren
Familien 782 Morgen Land erblich zu eigen gab. Sie sollten das bereits gerodete Land urbar machen und eine Siedlung anlegen, wofür Ihnen im Gegenzug Vorteile wie Dienstfreiheit und geringere
Abgaben eingeräumt wurden.

Woher kam das wieder zu bewirtschaftende Land ? Aus dem „Alten“ Michelbach ! Es lag am gleichnamigen Bach vom heutigen Ort abwärts in
der Talmulde unterhalb der
Ziegelhütte. Der Flurname „ In der Michelbach“ verweist noch heute auf den Standort des wüst

gewordenen Ortes. Belege hierfür finden sich unter Anderem im Archiv hess. Geschichte in der Uni-Bücherei in Frankfurt am Main. In den überlieferten
Nachweisen des Klostern zu Fulda ist zu lesen, dass das alte „Michelbach“ 802 n. Chr. mit 8 Haben ( Höfen) begründet wurde.

Um 802 schenkte ein gewisser M a d a l h e r dem Abt Hraban von Fulda ein Grundstück. Aus diesem Madalher wurde im Laufe der Zeit
durch Sprachabnutzung und Lautverschiebung Madalhershagen, Mahlschbach, Molschbach und
schließlich Michelbach.

Wobei der Name Molschbach noch heute für ein Flurbezeichnung

Richtung Eschenrod steht.

In dem Buch „Ortsnamen Hessens“ hingegen gibt es folgende Deutung von Michelbach in Oberhessen: „xi demo Michelnbach“ was so viel heißt wie „zum großen Bache“, im
Vergleich mit benachbarten Bächen. Michelbach ist demzufolge eines der ältesten und auch eines der jüngsten Ansiedlungen im Raum Schotten.

 

Die Anfangszeit der Neubesiedelung dürfte hart und entbehrungsreich

für die handvoll Menschen gewesen sein. Nachdem sie Pest, Seuchen

und Kriege überwunden hatten, musste dem Bevölkerungswachstum

durch Landesbau Rechnung getragen werden. Darunter verstand man

alle Tätigkeiten, die auf einer Erweiterung der landwirschaftl. Nutzfläche

und auf ( Melioration ), also Bodenverbesserung zielten.

Dazu gehörten Rodungen, und speziell in den steinreichen Vogelsbergregionen Felszerkleinerungen und Steinlesen. Aber auch das Land, das in den früheren Wüstungen zu
finden war, wurde rekultiviert. So wurde 150 Jahre nach verlassen der Wüstung die neue Feldmark durch Fleiß und harte Arbeit wieder rentabel gemacht.

 

Dem neuen Michelbach blieben, wie man vermuten kann, ebenfalls Belastungen, Plagen und Kriege nicht erspart. Im 30-jährigen Krieg (1618 – 1648 ) zog
der „ tolle Christian“ ( Herzog Christian von Braunschweib-Halberstadt ) im Jahre 1622 mit seinem evangelischen Heer durch unser bereits 1527 reformiertes Land und haute schlimmer denn „ Türken
und Heiden“.

Der Landgraf von Hessen-Darmstadt, Wilhelm V wollte neutral bleiben, um seinem Lande das Kriegselend zu ersparen. Darin sah der „tolle Christian“
einen Verrat an der evangelischen Sache

und fiel über das ganze Hessenland her. Die Untertanen des hessischen Landgrafen mussten schwer büßen. Am Ende dieser harten Zeit ergab eine
Volkszählung, daß das ganze Gebiet um

Schotten um 90% auf unter 300 Seelen entvölkert war. Besonders am

Beispiel Michelbachs lässt sich erkennen, daß die Region sich schnell davon erholte, denn 194 Jahre später, im Jahre 1842 hatte sich der Ort zu
einem ansehnlichen Bauerndorf mit 433 Einwohnern,

verteilt auf 86 Haushalte entwickelt.

 

Leider blieb Michelbach auch von Feuersbrünsten und Naturkatastrophen

nicht verschont. Im Schottener Stadtarchiv sind Unterlagen zu finden, nach denen im Jahre 1766 ein Hagelschlag

die gesamte Ernte der Gemarkung zerstörte. Sechzig Jahre später wurde erneut die ganze Ernte vernichtet. Nach einer langanhaltenden Hitzeperiode, zogen am späten
Nachmittag des

3. Juni 1826 schwere Gewitterwolken die Hänge des Vogelsberges hinauf. Wolkenbruchartig entlud sich das Gewitter und kam Stromweise von den umliegenden Hängen ins
Tal herabgeschossen. Die sich bildenden Schlamm- und Flutmassen rissen Brücken über den Michelbach nieder und die gesamte Ernte war binnen weniger Augenblicke zerstört.

Im nahen Eicheltal mussten bei diesem Ereignis zwischen Eschenrod und Eicheldorf 27 Menschen ihr Leben lassen. Daran mag man die Wucht dieser Katastrophe
ermessen.

 

Nach dem verheerenden Dürrejahr 1893 suche eine weitere Katastrophe Michelbach am 11. November des Jahres 1897 heim.

Es wütete ein Großfeuer in der Gemeinde, bei dem 10 Hofreiten bis auf die Grundmauern niederbrannten. Eine Bericht im Schottener Kreisblatt
beschreibt dieses schreckliche Ereignis, bei dem auch ein Kind sein Leben lassen musste.

Bis vor wenigen Jahren hat man daher an diesem Tage im November den „Brenntag“ mit Kirchgang und Abendmahl gefeiert.

 

Aber auch an das furchtbare Leid der beiden Weltkriege, in denen viele Michelsberger ihr Leben lassen mussten, sei hier erinnert. Ein Ehrenmal auf dem Friedhof, so
wie drei Gedenktafeln in der Friedhofskapelle halten die Erinnerungen an diese Zeit wach.

 

Erst nach der Währungsreform im Jahre 1948 ging es mit unserem Dorf wieder aufwärts. Bedingt durch die Zerstörungen des Krieges hatten viele Menschen die
Möglichkeit neben der Landwirtschaft in die nahe Rhein/Main Region zu fahren. Mit Kleinbussen fuhren täglich viele Arbeiter nach Frankfurt und verdienten sich hier ein wenig Geld, das zu Hause in
die Mechanisierung der Landwirtschaft gesteckt wurde. Die somit einsetzende Mechanisierung und die 1962 abgeschlossene Flurbereinigung machten bald Arbeitstier unrentabel und die Ernteerträge
ausstreichend. Ein klein wenig „Wohlstand“ war den Menschen auch zu gönnen.

Bald sah man die ersten Motorräder auf den teils noch sehr schlechten Straßen, denen bald kleine Automobile wie die „Isetta und das „Gogo“ denen später „DKW“ und
„Lloid“ folgten sollten.

In den Jahren des Aufbaus wurde in Michelbach einiges

auf den Weg gebracht.

Die Ortsstraßen wurden ausgebaut, Brücken über den Bach errichtet, das Feldwegenetz erweitert, eine Friedhofskapelle errichtet, um nur einige Projekte zu
nennen.

Man kann sich darüber streiten, ob die Eingemeindung Michelbachs nach Schotten, vor genau 43 Jahren für den Ort und seine Entwicklung ein Segen war oder
nicht.

Beispiele über die es sich in diesem Zusammenhang nachdenken

lässt, gibt es zu hauf !

 

Unter all den beschriebenen Ereignissen gelangte Michelbach schließlich zu seinem heutigen Erscheinungsbild.

Im Jahre 1995 begingen wir mit einem mehrtägigen Festakt unser

Dorfjubiläum „Die 500-Jahrfeier“, welches wohl ohne Übertreibung das schönste Fest der letzten Jahre in der Region war.

Mit einem „stehenden Festzug“ begeisterten wir damals das Publikum.

Hier wurden all die vergessenen Fertigkeiten des dörflichen Leben von

früher in praktischer Ausübung gezeigt.

Die Idee des stehenden Festzuges war damals noch relativ neu und so musste intensive Aufklärungsarbeit geleistet werden, um was es sich dabei
handelte.

Die Bemühungen der ganzen Dorfbevölkerungen wurden durch Filmaufnahmen des hessischen Rundfunks für die Hessen schau gekrönt, so dass
wir am Festsonntag einen Besucheransturm von 8000 Gästen in unserem Dorf begrüßen konnten, die,

so kann ich heute noch mit Stolz behaupten unvergessliche Stunden

bei uns verbringen konnten.

Die überaus positive Resonanz in der Nachfolgezeit dokumentiert

das eindrucksvoll.

 

Der Gemeinsinn, der in Michelbach noch stärker zu finden ist, als in den umliegenden Orten, hat schon oft reife Früchte getragen.

Ein Beispiel in der jüngsten Vergangenheit ist der Neubau

eines Feuerwehrgerätehauses mit aufgestockter Maschinenhalle für die Jagdgenossenschaft im Jahre 2000.

Dieses zweistöckige Gebäude wurde durch die Michelbacher Bevölkerung komplett in Eigenleistung errichtet.

Die Entstehungskosten waren daher für die Stadt so niedrig,

daß bei vergleichbaren Objekten in der Großgemeinde gerade mal das Kellergeschoss aus dem Boden ragen dürfte. Wer aufmerksam Zeitung liest, kann dafür genügend
Beispiele in der

jüngsten Vergangenheit finden.

 

Im Rahmen des IKEK-Projektes ist im Moment ein neues Mammutprojekt in der Vorplanung, das erneut alle
Kräfte in Michelbach in Anspruch nimmt, und hoffentlich zum Ziel führt.

Unterhalb der Kirche befindet sich ein unrühmlicher Schandfleck,

den vor zwei Wochen auch ein Fernsehteam von „Frontal 21“ näher beleuchtet hat.


Es ist geplant diese Ruine einer neuen Bestimmung zuzuführen

und hier zentral in unserer Ortsmitte einen neuen Dorfmittelpunkt

in Form einer Kulturscheune für Handwerk und Brauchtum

entstehen zu lassen.

Die IKEK-Beauftragten des Ortes und der Ortsbeirat versuchen zur Zeit dieses Projekt in den entsprechenden Gremien voranzubringen.

Auch unser baufälliges Backhaus könnte innerhalb dieses Areals

einen neuen Standort finden.

Der Schottener Kultur- und Geschichtsverein könnte auch davon profitieren und als Außenstelle ähnlich eines Freilichtmuseums nutzen. Wir wären den Mitgliedern des
Vereins dankbar,

wenn sie sich an geeigneter Stelle für unseren neuen Dorfmittelpunkt einsetzen würden und uns in unserem Bemühungen vom „Schandfleck zum touristischen Schmuckstück“
unterstützen würden.

 

Recherchiert und ausgearbeitet

im April 2013 von

Hermann Becker

 

Vielen Dank dafür von der Redaktion

 

 

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